Das Besondere in dir

Ich weiß nicht genau, seit wann der Gedanke genau herumschwirrte, wie lange ich darüber nachgedacht, Ideen hin und wieder zur Seite geschoben und wieder hervorgekramt habe. Definitiv erst seit letztem Jahr. Vielleicht, seitdem mir bewusst wurde, ich bin auf der Zielgerade angekommen, arbeite nicht mehr, muss mein Leben neu sortieren, strukturieren und das leere Glas mit Wasser füllen. Vielleicht waren auch die lästigen Dämonen, mit denen ich mich herumschlagen muss, ausschlaggebend. Was weiß ich schon. Wie dem auch sei, der Termin stand fest, eine Anzahlung war getätigt, die Aufregung und auch Vorfreude stieg von Tag zu Tag, das Hauptmotiv stand fest und über das Drumherum hatte ich mir schon länger Gedanken gemacht. Es sollte stehen für das, was ich verloren hatte, Vergangenheit abbilden und die Geliebten, die mich am Leben halten, verewigen. Lange Rede, kurzer Sinn, mein ersten und letztes Tattoo wurde mir gestochen.

Das war’s. Ist für ziemlich immer.

Natürlich war ich aufgeregt, vor Vorfreude gespannt wie eine Flitzebogen und neugierig. Nachdem ich meiner Tä·to·wie·re·rin die Motivwünsche gezeigt hatte, verbrachte ich die Wartezeit in netten Gesprächen mit jungen Damen, die aufgrund einer unschlagbar günstigen Piercing Aktion das Studio gestürmt hatten. Etwaige Schmerzen, selbstgestochene Tattoos, Fachsimpeln über die Prog-Rocker Tool und die allgemeinen Nöte junger Damen die auf ein unschlagbar günstiges Piercing warten. Nach etwas mehr als einer Stunde hatte die Künstlerin aus meinen Ideen und Wünschen eine himmelhoch jauchzende Vorlage geschaffen, mit der ich sehr zufrieden war. Dann auf die Liege. Laute Rockmusik. Metal, Alternative und alte Hardrock Songs. War mir schon klar, das im Tattoostudio keine Helene Fischer zu hören ist. Gut so. Alle Bedenken haben sich verflüchtigt, kein Schmerz. Über fünf Stunden, abgesehen von kleinen Pausen um sich die Beine zu vertreten, das Surren der Tätowiermaschinen, die Unterhaltung mit meiner begabten Tätowiererin über Literatur (Max Frisch, Peter Handke und Kafka) über Musik und Theaterstücke von Ibsen, über das Studium der Theaterwissenschaften und Kreatives Schreiben, über Musik, über Hunde, über Tattoos im allgemeinen und über die technische Umsetzung im besonderen, über Gott und die Welt. Was will man mehr. Kunde und Dienstleister, fast wie beim Friseur, nur schöner, spannender, intimer und aufregender. Trotzdem tat mir nach fünf Stunden auf der Liege das Hintern weh. Zum Abschluss, Draußen war es schon lange dunkel, eine Wundfolie und eine Umarmung.

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