Ich hatte vor Zeiten die Vorstellung, dass sich persönliches Unglück und familiäre Katastrophen auf eine mysteriöse, unerklärliche Weise ankündigen würden. Eine unbestimmte Veränderung der unmittelbaren Umgebung, ein Flimmern der Luft, ein kurzes Grollen der Welt. So ist es natürlich nicht.
Wie viele Menschen sterben pro Tag? Richtig, es gibt ungefähr 150000 Todesfälle Tag für Tag. Eine Beliebigkeit sondergleichen. Man sollte sich damit abfinden. Unwichtig, nicht einmal eine Fußnote. Es gibt drei Menschen, würden sie vor mir sterben, könnte ich daran zerbrechen. Es gibt vier Menschen, würden sie sterben, wäre ich verloren. Es gibt zehn Menschen, würden sie vor mir sterben, ich würde sie schrecklich vermissen. Es gibt vielleicht drei Dutzend Menschen, würden sie vor mir sterben, wären Trauer und Verlust groß.
Gestern auf der mittäglichen Hunderunde, Gedankenfragmente sortierend, rief mich meine Mutter an. Es sei etwas Schreckliches passiert. Meine Cousine R., ihre Lieblingsnichte, heute von einem zum anderen Moment verstorben.
Ach herrje, die arme Mutter. Wieder ein Sterben zu früh. Wieder eine Beerdigung, eine Trauerfeier. Wie im letzten Jahr, im vorletzten Jahr und im Jahr davor. Jahrzehnte ging der Kelch an einem vorbei, jetzt ist es offensichtlich, die Einschläge kommen näher.